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Vorfahren der Indianer: Neues, uraltes Skelett schreibt amerikanische Besiedlungsgeschichte

In einer mexikanischen Höhle erhielt sich das Skelett eines Mädchens aus der Zeit der ersten Einwanderung. Liefert sie die Antwort auf ein quälendes Rätsel?
Der Schädel mit den seltsamen Gesichtszügen

Nur sehr wenige Skelette sind aus der Zeit erhalten, als die ersten Menschen den amerikanischen Kontinent besiedelten. Ein besonders schönes, weil weit gehend komplettes und gleichzeitig uraltes Exemplar fügen Wissenschaftler nun dieser Sammlung hinzu: "Naia", ein etwa 16-jähriges Mädchen, das vor rund 12 000 Jahren im heutigen Mexiko lebte.

Dank Naia könnte sich eine alte Kontroverse um die amerikanische Einwanderungsgeschichte bald in Luft auflösen. Das hoffen zumindest die Ausgräber um James Chatters von der University of Washington. Die Forschergruppe hat das Skelett ausführlich untersucht und jetzt der Öffentlichkeit vorgestellt. Amateure hatten es 2007 am Grund einer über 30 Meter tiefen und heute mit Wasser gefüllten Höhle gefunden – der Hoyo Negro, die zum Sac-Actun-Höhlensystem auf der Yucatán-Halbinsel gehört.

Das Bemerkenswerte an diesem Fund – neben dem exzellenten Erhaltungszustand, der es den Forschern erlaubte, sogar DNA-Proben zu nehmen – ist das Gesicht der Jugendlichen. Sie zeigt die typischen Gesichtszüge der Paläoamerikaner: Naia hatte ein schmales Gesicht mit auseinanderstehenden Augen, einen vorspringenden Kiefer und eine niedrige, flache Nase. Diesen Gesichtsaufbau hatten Archäologen auch bei anderen frühen Funden beobachtet, so zum Beispiel beim Kennewick-Mann, den Chatters 1996 entdeckt hatte. Das Mysteriöse: Eine solche Physiognomie bildet "in fast jeder Hinsicht das Gegenteil" zu der heutiger Ureinwohner, wie es Chatters in einer Pressekonferenz des Magazins "Science" ausdrückt.

Gibt es eine Verwandtschaft zwischen frühen Amerikanern und heutigen Indianern?

Das legte ursprünglich nahe, dass Angehörige dieser frühen Einwanderergruppen möglicherweise gar nicht mit den heutigen Indianern verwandt sind – beide scheinen aus unterschiedlichen Populationen zu stammen und aus unterschiedlichen Regionen Asiens auf den Kontinent gekommen sein.

"Naias" Schädel mit den seltsamen Gesichtszügen | Die Physiognomie der ersten Einwanderer konnte sich erheblich von der heutiger Indianer unterscheiden – trotzdem hatten beide die gleiche Ursprungspopulation. Das zeigen Genuntersuchungen an dem Fund aus Mexiko.

Diese Frage, die die Forscherszene seit Jahren umtreibt, hofft das Team um Chatters nun beantworten zu können, dank einer ersten Genuntersuchung. Die DNA aus den Mitochondrien der Jugendlichen gehört zur Haplogruppe D1 und ist damit eindeutig amerikanisch. Rund ein Zehntel der heutigen Ureinwohner Nord- und Südamerikas trägt diese Erbgutvariante. Daher halten es Chatters und Kollegen für sehr wahrscheinlich, dass die heutigen Indianer aus derselben Ursprungspopulation stammen, aus der auch die frühen Amerikaner mit ihren außergewöhnlichen Gesichtszügen hervorgingen.

Genauere Verwandtschaftsbeziehungen wird allerdings erst die Untersuchung der Kern-DNA liefern. Sie ist deutlich schwieriger zu analysieren als die mitochondriale DNA; die Ergebnisse dürften daher noch auf sich warten lassen. Dies war kürzlich Forschern für ein etwa ebenso altes Skelett gelungen, den "Anzick-Jungen" aus Montana.

Beringia war der Ausgangspunkt

Beide Funde unterstützen ein Szenario der Einwanderung, das immer mehr zum allseits akzeptierten Standardmodell wird: In Beringia, der einstigen Landbrücke zwischen Asien und Nordamerika, wurde ab einer Zeit vor 26 000 Jahren eine aus Sibirien stammende Population isoliert. Über Jahrtausende bildeten sich genetische und anatomische Eigentümlichkeiten. Das zurückweichende Eis nach dem Ende der letzten Eiszeit gab den Siedlern die Gelegenheit, in südlichere Gefilde vorzudringen: teils auf dem Seeweg entlang der Pazifikküste und teils über einen eisfreien Korridor quer durch das heutige Kanada.

Es ist gut möglich, dass aus dieser Bering-Gründerpopulation die nordamerikanische Einwanderung in mehreren Wellen erfolgte, wie es zum Beispiel Sprachvergleiche nahelegen. Chatters und Kollegen wollen lediglich das Szenario ausgeschlossen haben, nach dem Siedler aus unterschiedlichen asiatischen Heimatregionen nach Amerika vordrangen.

Todesfalle für Mensch und Tier

Der Fund selbst erzählt die traurige Geschichte einer jungen Frau, die womöglich aus einer Pfütze am Grund der damals trockenen Höhle Wasser sammeln wollte und so in die Tiefe stürzte. Dabei brach sie sich wohl mindestens das Becken und ertrank. Ein Entkommen wäre ohne Hilfe von außen vermutlich ohnehin nicht möglich gewesen, denn auch für andere Tiere wurde die Höhle zu einer Todesfalle: Außer dem menschlichen Skelett fanden die Forscher noch die Überreste von über 20 anderen Vertretern der pleistozänen Megafauna, darunter Säbelzahnkatzen und die elefantenartigen Gomphotherien.

Die Ausgrabungen gestalteten sich überaus schwierig, da sie nur durch Höhlentauchspezialisten vorgenommen werden können. Wie Chatters erklärt, müssten sie dazu erst über eine zehn Meter lange Leiter ins Innere eines waagrechten Schachts klettern, diesen 60 Meter langen Kanal durchschwimmen, um schließlich in das Innere der glockenförmigen Höhle abzutauchen.

http://www.youtube.com/watch?v=IOIL4g0Zyfg
© Alberto Nava Blank
Ein Tauchgang durch die Hoyo-Negro-Höhle
Forschungstaucher lassen sich von einem Unterwasserscooter durch den Zugangstunnel zur eigentlichen Höhle ziehen, wo sie auf über 30 Meter hinabtauchen. Hier wurde das Skelett der jungen Frau gefunden.

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